Da wir gestern Abend beim buchen der Reit-Tour nur noch den späten Termin um 14 Uhr ergattern konnten, gönnten wir uns das ausschlafen heute mal mit richtig gutem Gewissen. Ein weniger Gutes gewissen hatten Lisa und ich dann, als Jenni und Flo noch mal joggen gegangen sind, während wir faul in der Hütte blieben. Nach dem gemeinsamen (Mittags-) Frühstück ging es dann aber auch endlich los zur Laxnes Horse Farm.
Vor Ort wurde jedem dann ein passender Helm aus- und ein möglichst passendes Pferd zugeteilt. Da wir jedoch eher die letzten der gut 30 köpfigen Gruppe waren die ihren Vierbeiner zugeordnet wurden – aber mitnichten die einzigen waren, die angaben noch keine Reiterfahrung zu haben – beschlich mich doch stark der Eindruck, dass die wirklich leicht zu reitenden Pferde schon vergeben waren. Der suchende Blick nach einem passenden Pferd der jungen Dame, als ich an der Reihe war, sprach in der hinsicht jedenfalls Bände. Schließlich wurden aber auch für uns noch vier Tiere gefunden.
Die Einweisung wurde recht kurz gehalten. Erst mal Fuß in den Bügel und raufschwingen. Zügel links ziehen: Pferd reitet nach links. Zügel rechts ziehen: Pferd reitet nach rechts. Zügel zurück ziehen: Pferd wird langsamer bzw. bleibt stehen. Leicht mit den Hacken das Pferd treten und das Pferd wird schneller. Und schon ging es los.
In der Praxis stelle sich dann raus, dass unsere Pferde nicht zwangsweise so gehorsam waren, wie wir es uns gewünscht hätten. Zumindest bei mir wuchs der Eindruck, dass mein Pferd nur meinen Vorgaben Folge leistete, wenn es zufällig gerade die selbe Idee hatte. Aber in der großen Gruppe folgten die lieben Tiere einfach der Chefin und sobald wir unser Gleichgewicht gefunden hatten (was bei leicht erhöhtem Tempo schon gar nicht so leicht war), genossen wir einfach den Ritt und die Aussicht.
Ich spreche hier die ganze Zeit von Pferden, aber vermutlich wird der ein oder andere innerlich schon meckern, dass es doch keine Pferde, sondern Ponnys sind. Es stimmt natürlich, dass die Islandpferde zu den Ponnys gehören. Da es auf Island jedoch sonst keine anderen Pferde gibt, unterscheiden die Isländer das auch gar nicht. Warum sollte ich mir als Laie da nicht das gleiche Recht rausnehmen. Und außerdem war das trotzdem ziemlich hoch da oben.
Auch wenn wir also nicht wirklich viel Einfluss auf die Marschrute unsere Pferdchen hatten, hat es doch überraschend viel Spaß gemacht und wir haben alle das Lächeln kaum noch aus den Gesichtern bekommen. Unterwegs hatten wir dann noch einen Halt an einem Wasserfall eingelegt und den Pferden – und uns – etwas Pause gegönnt. Nach etwa zwei Stunden kamen wir dann sehr gut gelaunt, aber doch körperlich etwas mitgenommen, wieder auf der Farm an. Einfach nur auf einem Pferd zu sitzen ist anstrengender als es sich anhört.
Auf dem Heimweg haben wir uns dann noch schnell im Kaffi Kjós etwas Milch für die Cini Minis (die hier übrigens viel zimtiger waren), und weiteres für unser letztes Frühstück gekauft. Hätten wir dieses Café mit eingebautem Mini-Supermarkt früher entdeckt, denn es war nur 500 Meter von unserer Hütte entfernt. Naja, lieber spät als nie.
Was sollten wir nun noch mit unserem letzten Abend anfangen? Die Zeit war ja inzwischen schon recht vorangeschritten und wir mussten ja auch noch packen und unsere Hütte aufräumen. Da gab es doch noch diesen höchsten Wasserfall Islands, der gerade mal 30 Minuten von unserer Hütte entfernt lag. Heute konnte ich mich mit dieser Idee endlich durchsetzen. Das wäre ja auch zu schön gewesen. Schnell hin, rausspringen, ein paar Fotos machen und wieder ab nach Hause. So war zumindest der Plan. Doch es sollte anders kommen …
Die Anreise verlief wie geplant. Von der Hauptstraße ging irgendwann eine „Straße“ ab, die als Sackgasse ausgewiesen war, aber doch noch stolze drei Kilometer ins landesinnere führte. Auch nicht verwunderlich, wenn man eines der Highlights des Landes sehen möchte. Als wir jedoch am Parkplatz ankamen, hätten uns doch das ein oder andere stutzig machen können. Es standen dort einige Autos, aber es war niemand zu sehen. Und auch ein Wasserfall war nicht in Sicht. Aber da war ein Wegweiser zum „Glymur“. Auch die beiden Wanderer, die auf dem Schild zu sehen waren nahmen wir gar nicht wahr. Also ging es frohen Mutes, und ohne die richtige Ausrüstung los. Hinter der nächsten Ecke würde der Wasserfall schon auftauchen.
So zogen wir also durch die Lupinen. Als nach fünf Minuten der nächste Wegweiser kam, waren wir uns ganz sicher, dass es nicht mehr weit sein konnte. Und nur weitere zehn Minuten später erspähte ich am Horizonz etwas, was immerhin wie ein Wasserfall aussah. Allerdings war das Ding doch noch recht weit weg. Und wirklich hoch wirkte er auch nicht. Oder zählte man bei einem Wasserfall alle Treppen zusammen? Ihr könnt ja selbst mal schauen, was ich da entdeckt hatte. So Mitte rechts.
Nicht sehr spektakulär, oder? Vielleicht wir das aus der Nähe ja besser? Aber das Wetter war gut, und auch die Aussicht sehr schön, also immer weiter. Inzwischen waren wir aus den Lupinen wieder draußen und musste sogar einen kleines Rinnsal überqueren. Außerdem kamen uns tatsächlich mal andere Touristen entgegen. Als wir inzwischen schon fünfundzwanzig Minuten unterwegs waren kamen wir auf einmal an einer Klippe an einem Fluss raus, den man auf dem oberen Bild zwar nicht sieht, sich aber in der Mitte des Bildes von links nach rechts verlaufend vorstellen kann. Immerhin schon mal Wasser. Aber nun wurde es erst richtig abenteuerlich.
Ein weiteres Glymur-Schild (im Stile der ostfriesischen Nationalflagge in gelb auf hellem Holz) führte uns ein paar Stufen hinunter durch eine Höhle im Felsen. Auf diesem Weg kamen wir unten am Fluss an. Aber mit dieser Kletterei nicht genug, denn der Fluss wollte noch überquert werden. Zu diesem Zweck spannt man in Island offensichtlich einfach mal ein Seil über den Fluss und legt einen Baumstamm drüber. Spätestens hier haben wir gemerkt, dass wir eventuell doch vernüftige Wanderschuhe hätten anziehen sollen. Und ein wenig Verpflegung hätte auch nicht geschadet.
Der gefundene Fluss war übrigens der Botnsá, welcher auch zum gesuchten Glymur gehörte. Wir wusstens es zu diesem Zeitpunkt zwar nicht, aber wir mussten nun eben nur noch dem Fluss aufwärts folgen. Der „Weg“ führt aber natürlich auch direkt in diese Richtung. Ich setze das Wort deswegen in Anführungszeichen, da es ab hier größtenteils kletternd, und an Seilen festhaltend vorwärts ging. Vom Wasserfall selbst war allerdings immer noch nichts zu sehen.
Nach inzwischen fünfunddreißig Minuten kamen uns dann die nächsten Touristen entgegen. Diesmal trauten wir uns sie anzusprechen und fragten wie lange es denn wohl noch zum Wasserfall sei. Die Antwort ein bis eineinhalb Stunden war nicht das, was wir hören wollten. Es solle sich jedoch wirklich lohnen. Nach einer halben Stunde sollte man aber auch schon einen guten Ausblick auf den Glymur haben. Das klang doch machbar. Der Weg bis hierher war zwar schon so spannend und die Aussichten so schön, dass hier mehr denn je galt „der Weg ist das Ziel“. Trotzdem wollten wir zumindest noch einen Blick auf das Ziel werfen.
So käpften wir uns also weiter voran. Bergauf, bergab, an steilen Abhängen entlang und über kleine Nebenzuflüsse, die neben uns in die Tiefe stürzten. Sparsam teilten wir uns den halben Liter Wasser, den Jenni noch in ihrer Tasche hatte und halfen uns bei den schwierigeren Passagen. Und tatsächlich … nach einer weiteren halben Stunde hatte wir einen ersten richtig guten Ausblick auf den Glymur. Wir waren aber so gut drauf, dass wir noch weitere zehn Minuten wanderten und kletterten um folgenden Ausblick genießen zu können.
Ich muss leider eingestehen, dass das Bild lange nicht so spannend aussieht wie es tatächlich vor Ort war. Dieses Problem ist mir sogar schon dort aufgefallen, aber es war einfach unmöglich (zumindest mit meiner Kamera) das Erlebnis so einzufangen. Ähnlich problematisch war es sonst nur am Gletscher im Vatnajökull-Nationalpark. Diese Dimensionen kann man einfach nicht auf einem Bild festhalten. Der Glymur stürzt da hinten tatsächlich fast zweihundert Meter in die Tiefe. Durch die Schlucht sind unzählige Möven geflogen, die in den Felsspalten genistet haben (die weißen Punkte auf dem Bild). Die paar aufgeschichteten Stein im Bild waren der einzige Ansatz einer Absperrung zwischen Mensch und Abgrund. Das muss man einfach selbst erleben.
Jenni wollte noch den weiteren Anstieg wagen, aber wir übrigen waren mit dem erreichten zufrieden. Und wir mussten den Weg ja auch wieder zurück. Zum Glück ist Jenni nachdem sie uns von der nächsten Felswand gewunken hatte auch wieder zurückgekommen. Denn alleine und ohne die richtige Ausrüstung ist das hier echt nicht ungefährlich. Der Rückweg war nun zwar schon bekannt, aber trotzdem ein Abenteuer und ein Genuss gleichermaßen. Die Landschaft hier ist einfach wunderschön.
Nach insgesamt etwas zweieinhalb Stunden waren wir dann zurück am Parkplatz. Soviel zu „mal kurz rausspringen und ein paar Bilder machen“. Aber es hat sich absolut gelohnt! Für mich das Highlight der Reise. Wobei es vermutlich auch daran liegt, dass wir einfach nicht wussten worauf wir uns da einließen. Unterwegs haben wir dann auch noch dran gedacht unser Gruppenfoto zu machen, welches ihr auf der Seite Die Reisegruppe bewundern könnt.
Ein Schild, welches wir uns auf dem Parkplatz dann noch etwas genau anschauten, hätte uns auf das bevorstehende Abenteuer übrigens vorbereiten können. „Wer lesen kann ist klar im Vorteil“. Aber wer weiß … vielleicht hätten wir die Reise nicht gewagt, wenn wir gewusst hätten was uns erwartet.
So fuhren wir also ein letztes mal zurück zu unserer Hütte in Eyjafell und kochten uns bei mitternächtlichem Sonnenschein noch eine leckere Käse-Nudel-Pfanne. Das Packen und klar Schiff machen musste auf den nächsten Tag warten. Ansonsten ist für den Abreisetag nur noch ein weiterer Besuch in Reykjavik geplant. Und dann geht es schon wieder Richtung Heimat. Aus dem letzten ganzen Tag haben wir aber noch mal das Maximum rausgeholt.